Neues Arbeitszeitgesetz: Ein harter Schlag für Ärzte und Patienten

Macht die Arbeitszeitreduktion der Spitalsärzte unser Gesundheitswesen wirklich sicherer? In den USA wurden 2003 die Pflichtdienstzeiten reduziert. Die Schlüsse, die man daraus für Österreich ziehen kann, sind beunruhigend

Im Jänner wurde in Österreich das neue Arbeitszeitgesetz für Spitalsärzte verabschiedet. Es reduziert ihre Wochenarbeitszeit von 60 auf 48 Stunden. Jeder Arzt wird bestätigen, dass das erheblich nachteilige Auswirkungen auf die Versorgung der Patienten, die Forschung und die Ausbildung hat. Das zeigen auch vergleichbare Entwicklungen Anfang der 2000er-Jahre in den USA.

Ich bin als Chirurg im Bereich Urologie tätig, meine Ausbildung erfolgte mit einer Wochenarbeitszeit von etwa 110 Stunden. Das ist zwar nicht die beste Methode, aber ich bin überzeugt, dass harte Arbeit, Hingabe, Leidenschaft und Detailtreue die Grundvoraussetzungen für eine gute medizinische Versorgung von Patienten sind – insbesondere wenn es um die Ausbildung zum Chirurgen geht.

Vergleich: Arbeitszeitreduktion in den USA

2003 wurden in den USA die Pflichtdienstzeiten von Assistenzärzten auf 80 Stunden pro Woche reduziert. 2011 kam es zu weiteren Auflagen, die die Arbeitszeit auf weniger als 16 Stunden pro Schicht senkten. Diese Beschränkungen werden von Assistenzärzten und von betreuenden Fachärzten unterschiedlich beurteilt:

Befürworter der Beschränkung bringen eine verringerte Wahrscheinlichkeit von Fehlern aufgrund von Schlafmangel vor, eine höhere Lebensqualität außerhalb der Arbeit sowie eine geringere Abhängigkeit von Krankenhausmitarbeitern von oft nur unzureichend definierten „Serviceaufgaben“.

Gegner der Beschränkung argumentieren, dass das Lernen und die Vorbereitung auf das selbstständige Praktizieren leiden, wenn der Nachwuchs weniger Zeit mit der Versorgung von Patienten verbringt. Das von allen gebilligte oberste Ziel besteht weiterhin darin, medizinische/chirurgische Fehler zu reduzieren, die von Chirurgen in Ausbildung und selbstständig behandelnden Ärzten gemacht werden.

Pro und Kontra werden immer mit Leidenschaft vorgebracht. Leider sind sie vielfach nicht von Studien untermauert – doch gerade dies würde man von profilierten Berufsgruppen erwarten.

Kaum Verbesserungen für Patienten

Eine systematische Übersicht der Auswirkungen der Dienstzeitbeschränkung für Assistenzärzte in den USA auf die faktische und die wahrgenommene Sicherheit der Patienten, das Wohlbefinden der Assistenzärzte und ihre Ausbildung wurde erst kürzlich veröffentlicht.

Die Autoren dieser Metaanalyse stellten keine Verbesserung der Patientensicherheit oder -mortalität fest. Sie zitierten sogar mehrere Studien, wonach sich die Dienstzeitbeschränkung schlecht auf die Versorgung von Patienten auswirkte, insbesondere in Fachgebieten wie Neuro- und Herzchirurgie sowie Intensivpflege. Auf theoretischer Ebene könnte man sich das so erklären, dass es durch mehr Übergaben zu einer diffusen Aufteilung der Verantwortung kommt.

… und keine Verbesserung der Lebensqualität der Ärzte

Während die ursprüngliche Reduktion der Dienstzeiten auf 80 Stunden pro Woche zu einer verbesserten Lebensqualität der Assistenzärzte geführt hat, gibt es keinen Beleg für eine Verbesserung der Schlafgewohnheiten oder der Lebensqualität bei strikteren Regulierungen. Maximal 16-stündige Schichten hatten anderen Quellen zufolge sogar einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität der Fachärzte. Und Assistenzärzte berichteten, dass sie sich verantwortungsvollen Aufgaben weniger gewachsen fühlten.

Kürzere Arbeits-, aber längere Ausbildungszeiten

Einer der wichtigsten Nachteile einer Reduktion der Dienstzeiten von Assistenzärzten betrifft ihre Aus- und Fortbildung. Die Autoren der Metaanalyse verwiesen auf 15 Studien, davon erkannte die Mehrheit eine „Erosion“ der chirurgischen Aus- und Fortbildung. Mehrere Studien haben ein geringeres Arbeitsvolumen nachgewiesen – darunter eine Studie, in der sich die chirurgische Arbeit für Assistenzärzte im vorletzten Jahr sogar um 25 Prozent verringerte.

Zudem gab es einen Zusammenhang zwischen der Verringerung der Dienstzeiten von Assistenzärzten und der gestiegenen Durchfallquote bei Facharztprüfungen. Insgesamt betrachtet wachsen die Befürchtungen, dass eine weitere Reduktion der Dienstzeiten eine Verlängerung der Ausbildungszeiten erforderlich machen könnte, um die technische und kognitive Kompetenz der Jungärzte sicherzustellen. Tatsächlich erweitern in den Vereinigten Staaten die meisten Assistenzärzte ihre fünf- bis sechsjährige Ausbildung um einen ein- bis dreijährigen „Fellowship“, um das Know-how und die Erfahrung zu erwerben, die sie selbst als erforderlich erachten, um ihre Patienten gut versorgen zu können.

Noch beunruhigendere Situation in Österreich

Aus vielerlei Gründen ist das österreichische System der Ärzteausbildung weit beunruhigender als in den Vereinigten Staaten:

Erstens: Die Wochenarbeitszeit ist nicht auf 80 Stunden beschränkt wie in den USA, sondern auf 48 Stunden.

Zweitens: Die Beschränkung der Wochenarbeitszeit ist für alle Ärzte dieselbe, wodurch sie zu einem organisatorischen Albtraum wird. Die Arbeitszeit ist verringert, die Belegschaft allerdings nicht erweitert worden. Man möchte die politisch Verantwortlichen fragen: Wie soll das funktionieren?

Drittens: Während in den USA und anderen Ländern eine neue Berufsgruppe von Gesundheitsfachleuten entstanden ist, um die Last der Verwaltungsarbeit abzufangen und einfachere Gesundheitsdienstleistungen vorzunehmen, sind solche Hilfskräfte wie Ärzteassistenten und Nurse Practitioners (examinierte Pflegekräfte mit Verordnungsbefugnis für die Primärversorgung) in Österreich nicht vorgesehen.

Eindringliche Warnung

Mein Fazit: Ziel bleibt nach wie vor, das höchstmögliche Maß an Patientenversorgung zu bieten, während gleichzeitig die Ausbildung der Assistenzärzte optimiert werden soll. Wir sollten dieser Herausforderung so begegnen, wie wir uns jeder Herausforderung in der klinischen Medizin stellen würden, das heißt: ohne vorgefasste Meinung und Emotionen.

Die eingeschränkten Arbeitszeiten erlauben es uns heutzutage nicht, unsere Assistenzärzte so auszubilden, dass sie Ärzte mit Sinn für höchste Qualität werden. Ich bin davon überzeugt, dass die Versorgungsqualität für unsere Patienten und uns beträchtlich sinken wird. (Shahrokh F. Shariat, derStandard.at, 17.4.2015)

Literatur

  • Ahmed N, Devitt KS, Keshet I. et al: A Systematic Review of the Effects of Resident Duty Hour Restrictions in Surgery: Impact on Resident Wellness, Training, and Patient Outcomes. Ann Surg 2014; 259: 1041.

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